Seit
März 2004 können Autofahrer in Stadt und Landkreis Göttingen
ihr Auto nur noch anmelden, wenn sie für die Kfz-Steuer am Lastschrifteinzugsverfahren
teilnehmen. Eine klare Vorgabe der Politik, um die hohe Zahl der säumigen
Steuerzahler zu senken. Viele Autofahrer in der Region Südniedersachsen,
die ihren Wagen vor dieser Gesetzesänderung angemeldet haben, zahlen aber
weiterhin per Überweisung. Da kann es schon einmal passieren, dass man
den Termin verpasst oder ein paar Tage zu spät dran ist.
Doch während Versandhäuser oder Handwerker in solchen Fällen
eine Mahnung oder Zahlungserinnerung verschicken, holt das Finanzamt Göttingen
gleich den Hammer raus: „Ankündigung einer Zwangsabmeldung / - vollstreckung“
ist dort in großen Buchstaben zu lesen. Weiter steht dort: „Sie
haben die oben stehenden Abgaben noch nicht entrichtet, obwohl Sie im Steuerbescheid
zur Zahlung aufgefordert bzw. an den Zahlungstermin durch gesonderten Zahlungshinweis
erinnert wurden. Die Rückstände müssen deshalb zwangsweise beigetrieben
werden. Die Vollstreckung wird auf Ihre Kosten z.B. durch Pfändung von
Sachen, von Forderungen bei Ihrem Arbeitgeber, Ihrer Bank oder Ihren Kunden
oder von anderen Forderungen durchgeführt. Sie können die Vollstreckungsmaßnahmen
noch vermeiden, wenn sie sofort den rückständigen Betrag entrichten.“
Und dann abschließend wieder in riesigen Buchstaben: „Anderenfalls
wird die Zwangsabmeldung Ihres Fahrzeugs veranlasst!“ Das hat gesessen!
Sonja B. war geschockt, als sie das Schreiben in den Händen hielt. „Diese
Tonart, diese Drohungen, da kommst du dir ganz klein gemacht vor, als hättest
du etwas verbrochen. Dabei habe ich keine Mahnung oder Zahlungserinnerung bekommen.“
Diese Erfahrungen kann Andreas G.* bestätigen: „Es gab keine Mahnung,
sondern gleich diesen Drohbrief.“ Dem 37-Jährigen sind drei weitere
Fälle bekannt, immer das gleiche Muster, immer wieder die Drohung einer
Zwangsabmeldung. Silke J.* hatte sogar persönlich ihre Einzugsermächtigung
in den Briefkasten des Finanzamtes geworfen, weil sie für längere
Zeit verreisen musste. Als sie Monate später nach Hause kam, gab es die
Überraschung: Das vor dem Haus abgestellte Fahrzeug war zwangsabgemeldet
worden, die Plaketten waren verschwunden.
Was tun in solchen Fällen? Sonja B. und Andreas G. griffen zum örtlichen
Telefonbuch, fanden unter dem Eintrag Finanzamt Göttingen eine Durchwahl
für die Kfz-Steuer-Abteilung. Andreas G. bekam eine kurze und knappe Auskunft:
„Betrachten Sie das Schreiben einfach als 1. Mahnung!“ Sonja B.
wurde gesagt: „Mahnungen gibt es bei uns nicht mehr, das ist ein zu großer
Aufwand.“ Eine Anfrage per Email wurde bis heute nicht beantwortet. Auf
Anfrage der EXTRA TIP-Redaktion gibt es folgende Auskunft: „Bei uns gehen
immer mehrere Schreiben raus, bevor eine Zwangsabmeldung angedroht wird“,
so Matthias Mann, Sachgebietsleiter für Kfz-Steuer beim Finanzamt Göttingen.
Mahnungen und Erinnerungsschreiben sind aber in den genannten Fällen nie
angekommen. „Eigentlich müssten wir das bei uns in der Post sehen,
da muss es sich um einen Einzelfall handeln“, vermutet Mann.
Da es aber kein Einzelfall war, fragte der EXTRA TIP in Hannover nach. „Die
niedersächsischen Finanzämter drohen keinesfalls gleich mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen“,
erklärt Jürgen Tostberg, Pressesprecher des niedersächsischen
Finanzministeriums. Vorher gehe immer der Steuerbescheid sowie jeweils kurz
vor Fälligkeit eine gesonderte Erinnerung an den Zahlungstermin voraus.
Dazu die Bitte, doch zukünftig am Lastschrifteinzugsverfahren teilzunehmen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei allerdings die Wirtschaftlichkeit. Tostberg:
„Die verhältnismäßig hohen Kosten für den Druck und
den Versand von Mahnungen stehen der im Einzelfall eher geringen Höhe der
Kraftfahrzeugsteuer gegenüber.“ So habe die rückständige
Kfz-Steuer im Jahr 2002 rund 21,5 Millionen Euro betragen, verteilt auf 100
000 Fälle. Die Steuerverwaltung sei jedoch gerade im Sinne der Steuerzahler
gehalten, die Kosten für die Einziehung der Steuern in einem wirtschaftlich
vertretbaren Rahmen zu halten. Tostberg: „Aus den genannten Gründen
wird deshalb im Fall der Kraftfahrzeugsteuer auf die Versendung von Mahnungen
verzichtet.“ Das Rätsel um die verschwundenen Zahlungserinnerungen
kann auch Hannover nicht lösen, die Kritik an dem vorgegebenen Ton zur
Zwangsabmeldung kann Tostberg allerdings verstehen: „Selbstverständlich
soll keinem Fahrzeughalter, der einfach vergessen hat, seine Kraftfahrzeugsteuer
zu bezahlen, ein Vorsatz unterstellt werden. Die Formulierungen sollen ihn vielmehr
nachhaltig an seine Zahlungsverpflichtung erinnern.“ Verstanden! Aber
geht das nicht auch ein bisschen freundlicher..